von Sonia Campa
Es ist jedem klar, dass die städtischen und ländlichen Lebensräume komplexer und anspruchsvoller geworden sind.
Um sich ein Bild davon zu machen, wie viel menschliche Existenz im Allgemeinen schwieriger geworden ist, schau dir nur unsere Kinder und Jugendliche an. Die ersteren werden oft auf kleine, mehr oder weniger grüne Zonen verbannt, die wir "Spielplätze" nennen, die immer mit den gleichen Spielgeräte -eine Rutsche, zwei Schaukeln, ein Sandkasten, vielleicht ein Reck-ausgestattet sind. Während Jugendliche riesige Schwierigkeiten haben, spontane Treffpunkte zu finden, an denen sie sich frei den kleinen Herausforderungen ihres Alters stellen und sich untereinander messen können, weit weg von den neugierigen Augen der Eltern.
Für einen erholsamen Spaziergang müssen viele von uns das Auto bewegen und Kilometer weit fahren, denn in unmittelbarer Nähe des Hauses gibt es keine Grünflächen und selbst die Plätze – seit jeher der Stolz unserer Stadtarchitektur – sind mittlerweile gepflastert mit Läden.
In den Vorstädten reihen sich Eigentumswohnungen an Eigentumswohnungen, vielleicht kurz unterbrochen von brachliegenden Rasenflächen, die von den Bewohnern eher als Mangel an Anstand denn als letzte Front ökologischen Widerstands empfunden werden.
Eine unangenehme Atmosphäre für alle
Es ist klar, dass eine solche Umweltsituation nicht nur unsere Lebensumstände, sondern auch die allgemeine Gesundheit beeinflusst: Es gibt inzwischen zahlreiche Studien, die organische und psychische Störungen mit der Toxizität der anthropogenen Umwelt in Verbindung bringen. Diese Auswirkungen haben zwangsläufig auch spürbare Auswirkungen auf die Tiere, die mit uns in diesen Räumen leben, insbesondere Hunde und Katzen. Die Leine ist eines der Symbole dieser enormen anthropozoologischen Veränderung: Wir leinen Hunde an, nicht weil sie nicht in der Lage sind, ordentlich Fuss zu gehen (paradoxerweise ist es gerade die Verwendung der Leine, die sie dazu unfähig macht), sondern weil uns das Gesetz die Verpflichtung auferlegt, uns und sie vor der Komplexität der städtischen Umgebung zu bewahren, vor plötzlichen Geräuschen, vor motorisierten Fahrzeugen und vor Menschenmengen zu schützen.
Katzen im Anthropozän
Katzen geht es nicht optimal. Nachdem sie unsere Straßen und Plätze Jahrtausende lang bevölkert haben, werden sie aus Sicherheitsgründen, die sie physisch schützen sollen, aber jede andere ethnografische Dimension vernachlässigt und jedes Rechts beraubt. Die Sicherheit ist nicht das einzige Argument, das dazu führt, dass Katzen immer mehr von unseren Straßen und Plätzen verschwinden. Der zunehmende Trend, städtische Orte als funktionierendes Ökosystems des Menschen zu betrachten, führt zur Manifestierung der Einstellung, dass kein Haustier – und damit nicht einmal Katzen – unbeaufsichtigt gelassen werden sollten und dass kein Tier auf den Straßen existieren sollte, das nicht Eigentum oder für das ein Mensch die Verantwortung übernimmt. Das Wort „häuslich“ in der Verbindung zu dem Wort „Tier“ stellt nicht mehr nur einen laufenden Evolutionsprozess bzw. ein biologisches Konzept dar, sondern wird zum Synonym für „unter der Kontrolle von jemandem“.
Die (ehemaligen) Städte der Katzen
Rom und Venedig sind zwei eindrucksvolle Beispiele für diese fortwährende Transformation: Beide Städte, wenn auch auf unterschiedliche Weise, galten schon immer als "katzenfreundlich". Katzen haben dazu beigetragen, der Welt eindrucksvolle und romantische Postkartenbilder zu geben, die mit der tausendjährigen Präsenz, diskret und als die Heimat dieser Tiere wahrgenommen werden konnte. Heute ist von diesen „Katzenstädten“ nichts mehr übrig: Rom wurde vom Verkehr eingenommen, der seine Straßen selbst für die Menschen, die sie gebaut haben, unattraktiv gemacht hat; Venedig konnte von Touristen «überrannt» werden, da die Einwohner - die wichtigsten Kuratoren freier Katzen - verlassen haben, zugunsten von Hotels und Restaurants.
Das Bedürfnis nach Natur ist universell
Ich persönlich verstehe, wie praktisch dies für die Welt ist, die wir blind aufbauen, bin ich weniger davon überzeugt, dass es sich lohnt, diesen Weg weiter zu verfolgen. Das unterstreichen Studien zum Umweltschutz ebenso wie Studien zur Humanpsychologie und zur Entwicklungspsychologie; die Beweise der Hunde- und Katzenethologie unterstreichen dies ebenfalls; eine globale Pandemie, die unser Leben seit mehr als zwei Jahren bestimmt hat, hat uns dies zu verstehen gegeben; sogar der gesunde Menschenverstand legt es uns nahe: wir als auch Tiere, müssen die Grünflächen erhalten und diese täglich aufsuchen. Es reicht nicht mehr aus, ins Auto zu steigen, um in die Natur zu fahren, die wir in der Stadt vermissen. Das heißt, wir müssen eine stärkere Expansion von Naturräumen anstreben, eine größere Pflege als die bereits bestehenden, und wir brauchen eine neue politische Ausrichtung, die uns Bürger dazu befähigt, mitzureden, um mehr von unseren lokalen Vertretern zu Umweltfragen zu erfahren, nicht nur zu unserem Schutz, sondern auch zum Schutz unserer «Familientiere».
Verbessere die Lebensräume von Katzen
Ein größeres Grünflächenangebot würde nicht nur uns Menschen verbesserte Lebensumstände ermöglichen, sondern es auch für Katzen garantieren. Im Jahr 2012 zeigte eine in England durchgeführte und von Roger Tabor unterzeichnete Beobachtungsstudie, dass Katzen, die frei wählen können, dazu neigen, sich lieber in vegetationsreichen Gebieten zu bewegen, anstatt Straßen zu überqueren und sich den Gefahren des Verkehrs auszusetzen, was den Erkundungsradius eingrenzt (das heißt, sie haben Angst davor und halten sich davon fern). Wohnen Katzen in dicht besiedelten Gebieten, wird es für sie schwieriger, Freizonen zu finden, was sie dazu zwingt, sich größeren Risiken auszusetzen. Eine grünere Umwelt und mehr Vegetation – zusammen mit einer freien demografischen Politik für Katzen – bedeutet auch gastfreundlichere Umgebungen für die gesamte Artenvielfalt, die neben Katzen als bedroht gelten, die so viel mehr Umweltressourcen hätten, um ihre Verteidigungsstrategien umzusetzen, die sie in Jahrtausenden von Jahren entwickelt haben.
Starte mit kleinen täglichen Veränderungen
Auf unsere eigene Art und Weise können wir schon viel tun: Bäume in unseren Gärten pflanzen und die bereits vorhandenen pflegen, Vegetation in unseren Gärten fördern - langweilige englische Rasenflächen - steril und unpersönlich wie ein Operationstisch- aufgeben, die Gärten für Vögel und Kleintiere mit naturbelassenen Objekten wie z.B. Stämmen, Ästen, Rindenresten, Laub oder Laubbüschen, großzügigen Nischen und Höhlen bereichern.
Ein kleiner Unterschied hat einen grossen Effekt auf uns alle
Was wichtig wäre, um aus der Post-Covid Ära gestärkt herauszukommen, und auch dank dessen, was uns diese Pandemie im Guten wie im Schlechten gelehrt hat, ist eine größere Aufmerksamkeit für die Art und Weise, wie wir unseren Lebensraum gestalten und mit wieviel Natur wir uns umgeben. Wichtig ist auch, wie viel Zeit wir im Freien verbringen und welche Wichtigkeit wir dem Umweltschutz zuschreiben. Wenn wir es schaffen, den jetzigen Kurs umzukehren, wenn wir wirklich anfangen zu erkennen, wie wichtig es ist, Grünflächen nicht nur zu erhalten, sondern diese auch als Lebensraum zu nutzen. Wenn es uns wirklich gelingt, unsere Städte neu zu gestalten und Plätze, um nicht nur Menschen, sondern auch Tiere, die diesen Planeten immer rechtmäßig mit uns bewohnt haben, willkommen zu heißen, nur dann können wir sagen, dass wir wirklich beginnen, auch Katzen zu schützen. Bis dahin wird der Schutz, den wir ihnen gewähren, nur ein ungeschickter Weise sein, unsere Schuld unter den Teppich zu kehren, denn der Schutz der Artenvielfalt ist mit dem Einklang ihrer Umwelt und ihres Lebensraums ohne Zweifel in Verbindung zu bringen - das hat uns Covid unweigerlich gelehrt.
Biografie von Sonia Campa
Sonia Campa ist eine Beziehungsberaterin zwischen Mensch & Tier, Hundetrainerin und Ausbilderin, die ihren Master in Ethnologie von Tieren an der Universität von Pisa (Italien) erworben hat. Seit mehr als einem Jahrzehnt führt sie Beratungs-, Lehrveranstaltungen und Seminare zur “Mensch-Katze-Beziehung” durch. Sie ist Mitglied des technisch-wissenschaftlichen Komitees von Kodami.it, arbeitet seit Jahren mit der Zeitschrift “Focus Wild” zusammen und ist Autorin des Buches “L'insostenibile tenerezza del gatto”, herausgegeben von Newton Compton, sowie zahlreicher Veröffentlichungen in dem wissenschaftlichen und populärwissenschaftliche Umfeld.
Webauftritt: https://www.facebook.com/petethology
Instagram - Konto: soniacampa_ig